Vor einem Jahr war Corona weltweit noch das alles beherrschende Thema – natürlich auch für mich. In dem Zusammenhang möchte ich nur kurz darauf hinweisen, dass auch wir, die wir uns für sehr unabhängige Denker halten, nicht frei von Beeinflussung sind. Wir mögen nichts von dem glauben, was uns vorgesetzt wird, aber bei der Auswahl der Themen, mit denen wir uns befassen, sind wir nicht frei. Genauer gesagt sind wir natürlich schon frei, aber wir nutzen im Allgemeinen diese Freiheit nicht dazu, uns die Themen selber zu wählen, sondern interessieren uns für genau das, wofür sich auch die Sheeple interessieren, selbst wenn wir es aus einem anderen Blickwinkel betrachten und komplett anderes bewerten. Das ist nicht schlimm! Aber es ist immer eine Erwägung wert, sich auch mit Themen zu befassen, die vom Mainstream fast vollständig ignoriert werden. Da können sich zuweilen interessante Erkenntnisse finden lassen.
Ich habe das letztes Jahr um diese Zeit nicht getan, sondern war intensiv mit den Hintergründen der Corona-„Pandemie“ beschäftigt, die in nie dagewesener weltweiter Einigkeit auf der Bühne inszeniert wurde. Aber dann wurde die Rolle der größten Bedrohung der Menschheit aller Zeiten in schwindelerregender Geschwindigkeit vom Corona-Virus an Putin übertragen. In einer kurzen Übergangszeit kam es zu einigen bizarren Meldungen, wie zum Beispiel der, dass Karl Lauterbach sich erstmals zuversichtlich zeigte, die Pandemie könne bald enden, da ein Atomkrieg die Inzidenzen vielerorts schlagartig auf 0 senken würde 😉 , während der Bürgermeister von Wien drei LKWs voller FFP2-Masken zur Unterstützung der ukrainischen Verteidigung nach Kiew schickte. Im Gegensatz zu der Lauterbach-Story ist die aus Wien keine Satire!
Warum ich das erzähle? Damit ihr zwischendurch auch mal lachen könnt – das brauchen wir ab und zu, denn es kommt noch genug, das eher düstere Stimmung auslöst. Es erklärt aber auch, wie ich den Weg ins russische Propaganda-Universum gefunden habe. Während der Corona-Zeit habe ich häufig Nuoflix Homeoffice gesehen, wo ab und zu Thomas Röper zu Gast war. Auf ihn werde ich mich fast immer beziehen, wenn ich über russische Propaganda schreibe. Das liegt nicht daran, dass ich ihn nicht mag oder runtermachen möchte, sondern daran, dass er aufgrund der Sprachbarriere fast der einzige Zugang für mich ist. Oder vielmehr war – ich ertrage die russische Propaganda mittlerweile nur noch in ganz kleinen Dosen, sie löst ihn mir mehr Brechreiz aus als die westliche, und das will was heißen!
Thomas Röper IST das russische Propaganda-Universum in deutscher Sprache – 100 Prozent kremltreu und komplett mit Kommentarbereich, in dem sich beobachten lässt, welche Gefühlsregungen diese Berichterstattung auslöst. Nur falls jemand ihn nicht kennen sollte: Er ist ein deutscher Blogger, der in St. Petersburg lebt, die Seite Anti-Spiegel betreibt und vierzehntägig in der Sendung Tacheles mit Robert Stein über seine Blogartikel redet. Natürlich ist der Name Anti-Spiegel auch Programm und die “fundierte Medienkritik”, die Thomas Röper laut Untertitel zuweilen übt, ist zutreffend. Ja, auch mir ist klar, dass der Spiegel kein Hort wahrhaftiger Berichterstattung und ebenfalls eine Propaganda-Schleuder ist. Meist sind es aber nur kleinere Ungenauigkeiten oder Dummheiten, die er aufgreift und so darstellt, als ob sie unfassbar bösartige Hetze wären, die man sich in Russland nicht einmal ansatzweise vorstellen kann, weil es dort nämlich (leider) überhaupt keine Propaganda gibt.
Auf der anderen Seite werden Leute wie zum Beispiel Wladimir Rudolfowitsch Solowjow, der vom Merkur vollkommen zutreffend als “unglaubliche Dreckschleuder” bezeichnet wird, selbstverständlich von Thomas Röper nicht übersetzt. Wir müssen ja nicht wissen, dass Scholz im russischen Fernsehen als “Nazi-Abschaum” bezeichnet wird, und die Zerstörung Berlins als angemessene Reaktion auf weitere Waffenlieferungen propagiert wird. Ich mag Scholz auch nicht, aber er ist natürlich kein Nazi. Und ich empfinde es als äußerst bedrohlich, wenn jemand Millionen von Russen in Hass und Kriegsgeilheit gegen uns versetzt, indem er den bei ihnen sehr effektiven Nazi-Trigger betätigt. Ich bin auch strikt gegen diese Waffenlieferungen, aber sie sind keine Kriegsbeteiligung, die Drohung ist also zweifelsfrei eine Angriffsdrohung. Und ein AfD-Mann schämt sich nicht, bei diesem tobsüchtigen Psychopathen in der Sendung aufzutauchen und auf ein Kopftätscheln dafür zu hoffen, dass er “ein guter Deutscher” ist. Wie tief kann man eigentlich noch sinken?
Thomas Röper selber fällt nie aus der Rolle, sondern wirkt immer freundlich und sachlich. Die russischen Artikel, die er übersetzt, zeichnen sich ebenfalls durch kultivierte Sprache aus und Putin wird nahezu als Heiliger dargestellt. Seiner Aussage zufolge möchte er lediglich deutschen Lesern nahebringen, wie in Russland berichtet wird, damit sie beide Seiten sehen und sich selber ein Bild machen können.
Nun, ich habe das getan, wenn auch vermutlich nicht mit dem Ergebnis, das er sich wünscht.
Aber es gibt auch andere Reaktionen als meine. Ich verlinke unten einen Kommentar auf einen stilistisch sachlichen Artikel. Er ist zugegebenermaßen eines der krasseren Beispiele, aber keineswegs ein Einzelfall, mit zehn Minuten Suchaufwand lässt sich einiges in der Art finden. Man erkennt ja auch an den Reaktionen der anderen Kommentatoren, dass die überhaupt nicht geschockt oder auch nur grundsätzlich anderer Meinung sind. Hier reinkopieren wollte ich es nicht, da es möglicherweise strafrechtlich nicht unbedenklich ist, den “lieben Russen” derartige Ratschläge zu erteilen.
Man kann nur inständig hoffen, dass die Reaktion auf solcherlei “Nicht-Propaganda” in Russland ein bisschen gemäßigter ausfällt. 😯
Das alles war mir aber anfänglich noch nicht klar, weil Thomas Röpers Hintergrundrecherchen zu Corona, die er in einem Buch veröffentlicht hat, gut und interessant waren, während die russische Regierung das Theater doch ebenfalls mitgemacht hat. In dem Zusammenhang fällt auch auf, dass RT Deutsch das einzige Mainstream-Medium war, das korrekt und fair über die Corona-Proteste berichtet hat. Mit Speck fängt man Mäuse?
Um die russische Propaganda näher zu betrachten und letztendlich jede einzelne der Begründungen für den Krieg auf die Müllkippe zu werfen, möchte ich euch einfach auf meine Reise in dieses Universum mitnehmen. Ich glaube, das ist der beste Weg, diese Aufgabe anzugehen, denn mir ist selbstverständlich nicht entgangen, dass weite Teile der alternativen Szene recht tief in diesem Universum stecken. Das einzig Gute an diesem Phänomen ist, dass es dazu führt, Sand ins Getriebe der westlichen Kriegshetze zu werfen. Ich glaube, die Kreml-Groupies sind ein ganz schönes Problem für unsere Regierung und deshalb bin ich auf eine gewisse Art sogar froh, dass es sie gibt, obwohl sie mich mittlerweile nur noch anwidern. Denn auch ich bin entsetzt über die zunehmende Eskalation und bin radikal gegen jegliche Waffenlieferung an die Ukraine und alle Sanktionen gegen Russland.
Anfänglich habe ich meine Einstellung zu den Vorgängen in der Ukraine so beschrieben: Ablehnend gegenüber den westlichen Regierungen und skeptisch gegenüber der russischen Regierung. Das lag schlicht und einfach daran, dass ich Erstere schon sehr lang und intensiv beobachte, Letztere aber nicht. Aber im Grunde war meine Haltung gegenüber der russischen Position eher neugierig und offen als skeptisch. Ich war bereit, die russische Position anzunehmen und dabei auch kleinere Fehler hinzunehmen, denn was ist schon perfekt? Eine kleine Weile hat das auch funktioniert, aber nicht lang.
Ich bin immer noch ablehnend gegenüber den westlichen Regierungen, aber ich verachte sie viel mehr als ich sie fürchte, während vom sowjetischen Propagandaapparat etwas ausgeht, das auf mich brutal und bedrohlich wirkt. Und ich benutze das Wort “sowjetisch” hier bewusst. Die Sowjetunion hat bekanntermaßen nämlich keineswegs nur Russland umfasst, sondern auch die Ukraine. Und – noch schlimmer – trotz ihrer lautstarken Feindseligkeit glaube ich nicht, dass die westlichen Regierungen und die NATO uns vor dieser Bedrohung beschützen wollen, – ganz im Gegenteil: Es sieht ganz danach aus, als ob sie ihr zuarbeiten.
Die Begründungen, die von der russischen Regierung für den Einmarsch in die Ukraine gegeben werden, lassen sich grob in vier Kategorien einteilen:
- Wir müssen den armen Menschen im Donbass bei ihrer Selbstverteidigung zu Hilfe eilen.
- Wir müssen uns vor Einkreisung und Angriff durch die NATO schützen
- Wir müssen der unipolaren Weltordnung der USA eine multipolare entgegensetzen
- Wir müssen die Ukraine entnazifizieren – und eigentlich auch den gesamten Westen
In der Reihenfolge werde ich im Verlauf dieser Artikelserie auf die Begründungen eingehen. Auf die erste bin ich vorübergehend reingefallen, aber auch sie ist – zumindest für mich – nicht haltbar. Die zweite und dritte habe ich von Anfang an als Blödsinn erkannt, aber wie ich im vorherigen Kapitel geschrieben habe: Es reicht vollkommen aus, wenn man eine einzige Begründung glaubt. Genau deswegen werden ja auch mehrere angeboten. Die vierte könnte, je nachdem, was man unter „Nazismus“ versteht, möglicherweise ein Hinweis darauf sein, worum es tatsächlich geht. Deshalb habe ich sie mir für den Schluss aufgespart.
- Teil 5: Wir müssen diesen armen Menschen helfen
- Teil 6: Die Einkreisung
- Teil 7: Die multipolare Weltordnung
- Teil 8: Entnazifizierung
- Teil 9: Hornissennester?
- Teil 10: Back in the USSR
- Teil 11: Hexenprozesse
- Teil 12: Todeskult
- Teil 1: Vorbetrachtung und präzise Sprache
- Teil 2: Schuld oder Skuld?
- Teil 3: Krieg beginnt mit der Verteidigung
Gottseidank!!!
Endlich jemand, der das anspricht. So ähnlich ist es mir im letzten Jahr auch ergangen, das ist alles eine riesengroße Scheiße! Der verlinkte Kommentar ist deutlich. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen, oder wie war das noch?
Ich bin gespannt, wie es weiter geht.
Hallo Juppi,
ich freue mich auch sehr, wenn Leute hierher finden, die gemerkt haben, dass es nicht sinnvoll ist, die eine oder die andere Seite zu “unterstützen”. Falls es überhaupt zwei Seiten sind. Ich zweifle immer mehr daran.
Wenn Du Lust und Gelegenheit hast, würde ich mich freuen, wenn Du die Serie an Stellen verlinkst, die Dir geeignet scheinen. Auf kontroverse Diskussionen lege ich eher weniger Wert. Die bringen niemanden weiter – ganz im Gegensatz zu Gesprächen zwischen Leute, die auf einem ähnlichen Erkenntnisstand sind.