Unter dem Titel Alternative für Deutschland (AfD) als kontrollierte Opposition ist beim Occidental Observer eine deutsche Übersetzung des englischsprachigen Artikels Germany’s AfD: Controlled Opposition von Tom Sunic erschienen.
Ich finde es immer ganz interessant zu erfahren, wie wir und unsere Angelegenheiten von außen gesehen werden, und vielleicht geht das anderen ebenso. Die neueren Ereignisse mit dem “Geheimtreffen” und dem peinlichen Schaulaufen der Zivilgesellschaft sind allerdings nicht dabei, der Text ist vom November 2023.
Meiner Ansicht nach kennt sich Tom Sunic erstaunlich gut in unserem heimischen Saustall aus, wobei er sich aber in großen Teilen auch mit Strukturen und Phänomenen befasst, die keineswegs ausschließlich die AfD betreffen, sondern vergleichbare Parteien und ihre Anhängerschaft in vielen Ländern. Aber insbesondere seine – meiner Ansicht nach sehr treffende – Beschreibung von Frau Weidel und ihrer Wirkung zeigt, dass er sich nicht nur oberflächlich mit der AfD befasst hat. Ich hätte mir gewünscht, dass er noch ein bisschen ausführlicher auf Herrn Höcke eingegangen wäre, aber immerhin hat er ihn als die “interessanteste und faszinierendste Figur der AfD” hervorgehoben, und auch in dem Punkt ist ihm schwer zu widersprechen. Selbst der Mainstream scheint regelrecht besessen von ihm, wenn auch nicht gerade auf sympathisierende Weise.
Einer der Kommentatoren unter dem englischsprachigen Artikel schreibt:
Toller Artikel, obwohl der Titel irreführend erscheint. Ich dachte, Tom würde das Argument vorbringen, dass die AfD “kontrollierte Opposition” sei, aber der Artikel scheint in die Richtung zu gehen, dass die AfD auf einem schmalen Grat wandelt, der notwendig ist, um in der deutschen Politik (unabhängig von ihrer Popularität) am Leben zu bleiben.
Vielleicht impliziert der Titel – als Wortspiel -, dass die AfD eine tatsächliche Opposition ist, die sich aber auf feindlichen Territorium ziemlich selbstkontrolliert verhält.
Ich finde das interessant, denn es zeigt auf, dass dieser Kommentator offenbar eine etwas andere Definition von “kontrollierter Opposition” hat als Tom Sunic und ich. Auch ich bin der Ansicht, dass es sich bei der AfD um kontrollierte Opposition handelt, aber ich behaupte damit ausdrücklich nicht, dass alle oder auch nur irgendwelche hohen AfD-Funktionäre böswillige Agenten sind, die nicht meinen, was sie sagen. Das ist selbstverständlich bei Einzelnen möglich, aber keineswegs zwangsläufig der Fall und m. E. noch nicht einmal übermäßig wahrscheinlich. Ich denke zwar schon, dass sich innerhalb der AfD U-Boote (nicht nur vom Verfassungsschutz!) befinden, aber die müssen nicht unbedingt im Rampenlicht stehen. So wird das aber häufig missverstanden, wenn man die AfD als kontrollierte Opposition bezeichnet.
Es bedeutet in Wirklichkeit nur, dass diese Opposition einer Kontrolle unterliegt, die selbstverständlich auch Selbstkontrolle sein kann. Der Denkfehler, den viele machen, wenn sie Selbstkontrolle verorten, ist der, dass sie glauben, diese Selbstkontrolle würde automatisch enden, wenn die Partei an die Macht kommt. So denken übrigens auch die hysterischen AfD-Gegner, die ganz offenbar der Ansicht sind, dass die AfD Kreide frisst und nach einem Wahlsieg verkündet: “Ätschbätsch reingefallen! Wir sind DOCH Nazis!” Und dann ist es in der Wahnvorstellung dieser Hornochsen zu spät. Ich beobachte aber auch, dass AfD-Anhänger sich von einer Regierungsbeteiligung ihrer Lieblingspartei Dinge versprechen, die von AfD-Funktionären nie versprochen wurden. Die irren sich genauso wie die Hornochsen. Außerdem endet die Selbstkontrolle nicht mit einer Regierungsbeteiligung, sie wird im Gegenteil wesentlich ausgeprägter, wie man in Italien gesehen hat. So wie die außerparlamentarische Opposition freier ist als die parlamentarische, ist die parlamentarische Opposition freier als die Regierung. Die lange Regierungszeit während wichtiger Ereignisse wie z. B. der Invasion von 2015, auf die eine Bundesregierung keinen Einfluss hat, ist der Hauptgrund für die Veränderung der CDU – nicht die Person Merkel! Die hat diese unvermeidliche Richtungsänderung lediglich recht professionell nach außen repräsentiert.
Allerdings glaube ich nicht an eine Regierungsbeteiligung der AfD in absehbarer Zeit oder – präziser ausgedrückt – solange sie sich nicht deutlich ändert. In anderen Ländern mag das vorübergehend geduldet werden, aber Deutschland ist meiner Überzeugung nach dafür ein “zu heißes Pflaster”.
Kontrollierte Opposition sagt nichts darüber aus, wer die Opposition wie kontrolliert, sie sagt lediglich aus, DASS sie kontrolliert wird, und das geschieht schon automatisch dadurch, dass es sich um eine politische Partei handelt, die sehr engen gesetzlichen Vorgaben unterworfen ist. Im Grunde ist das System der parlamentarischen Parteiendemokratie so beschaffen, dass ausnahmslos jede Opposition zur kontrollierten Opposition wird. Besonders krass ist das in der BRD, was angesichts unserer Vergangenheit wohl kein Zufall ist. Opposition außerhalb von Parteien ist natürlich grundsätzlich möglich und sie ist ein ganzes Stück freier, da das Strafrecht weniger restriktiv ist als das Grundgesetz. Doch Parteien tendieren eben dazu, die Leute anzusaugen und “an ihrer Willensbildung mitzuwirken”, wie es lt. Artikel 21, GG auch ihre offizielle Aufgabe ist und nichts anderes heißt, als ihre Wählerschaft zu beeinflussen. So entsteht bei vielen die Haltung, alles, was “nicht einmal die AfD vertritt”, sei jenseits des Denkbaren, und gerät so dann auch tatsächlich außerhalb des Denkbaren, obwohl manches davon nicht einmal außerhalb des Sagbaren ist. Für diejenigen, die sich sich dieser Tatsache bewusst sind, ist die AfD nicht schädlich. Das wird sie nur für diejenigen, die vergessen, dass sie als Partei unvermeidlichen Beschränkungen und Verpflichtungen unterliegt, und es damit gut sein lassen, AfD-Positionen zu übernehmen, ohne weiterzudenken, und damit selber auch zur kontrollierten Opposition werden. Wie die prozentuale Verteilung aussieht, weiß ich nicht, glaube aber, die letztere Gruppierung ist größer.
Dass die AfD anfänglich von den Medien massiv gepusht wurde, war aber zweifelsfrei zu erkennen. Ob eine Partei die Sonstige-Müllkippe verlässt oder nicht, liegt nicht daran, wie gut oder schlecht ihr Programm oder ihr Personal ist, sondern einzig und allein daran, ob die Medien sie erwähnen oder ignorieren. Eine Partei wie die AfD gab es 2013, als sie gegründet wurde, in allen vergleichbaren Ländern, und offenbar war man in den übergeordneten Strukturen der Ansicht, dass die BRD auch so etwas braucht, um das demokratische System stabil zu halten und nicht einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung davon zu entfremden. Außerdem gibt es nicht nur eine Brandmauer zur AfD, die AfD stellt auch selber eine Brandmauer für Gedanken dar, die über das hinausgehen, was sie vertreten darf und vertritt. Damit meine ich ausdrücklich nicht “Hass und Hetze” oder gar Gewalt, sondern Erkenntnis.
Deshalb glaube ich nicht, dass die übergeordneten Strukturen Interesse daran haben, die AfD zu verbieten. Sie werden versuchen, sie auf andere Weise auf erträglicher Größe zu halten. Die Correctiv-Aktion hat nichts getaugt, aber ich argwöhne, dass es nicht das Beste war, was sie hatten. Das hätten sie vermutlich nicht so weit von Wahlen entfernt verschwendet. Wenn alle Stricke reißen, werden sie die AfD selbstverständlich verbieten, und ich habe keinen Zweifel daran, dass das BVG dann kooperiert. Das wird ja jetzt schon für den Notfall vorbereitet.
Insgesamt gesehen finde ich die Einschätzung der AfD von Tom Sunic sehr scharfsinnig und realistisch. Es ist schön, dass es in den USA Leute gibt, die unsere Lage so gut verstehen.